Georg Tiemann / Crossmedia
Künstliche Intelligenz ist derzeit in aller Munde. Ein Trend, der die digitale Welt derzeit
signifikant vorantreibt. Dass die Technologie allerdings weit mehr als nur ein
vorübergehender Trend ist, sondern die Gesellschaft nachhaltig verändern wird, dürfte
spätestens klar werden, wenn man sich vor Augen führt, in welchen Bereichen wir im
Alltag ganz selbstverständlich mit Künstlicher Intelligenz umgehen: sei es der Google-
Translater, ein virtueller Gegner beim Schach oder die Sprachsteuerung des
Navigationssystems im Auto. Auch vor der Werbebranche hat die Entwicklung nicht Halt
gemacht. Welche Auswirkungen das auf die Werbung hat und wie Künstliche Intelligenz
effektiv eingesetzt werden kann, wird in diesem Essay beleuchtet.
Mediaagenturen beraten werbungtreibende Unternehmen über welche Medien und
Kanäle sie am besten ihre Zielgruppen erreichen und mit welcher Zusammensetzung an
Maßnahmen oder mit welchem Mitteleinsatz sich Marketing- und Werbezielsetzungen
erreichen lassen. Dies können zum Beispiel die Entwicklung von Markenbekanntheit
und- Image sein. Oder die Angabe wie viele Besucher man auf einer Website benötig um
eine bestimmte Aktion (z.B. Anfrage, Kauf) eines Users auszulösen. Wir beraten unsere
Kunden daher auch immer stärker darüber, welche Technik sie einsetzen sollten, um
Kampagnen besonders effizient oder effektiv umzusetzen. Dabei greifen wir auf immer
größere Datenmengen und Techniken zurück, die uns helfen die vorgegebenen Ziele
schneller, kostengünstiger und nachhaltiger zu erreichen, um den Mitteleinsatz ständig zu
optimieren. Und je mehr Daten und Technik uns hierfür zur Verfügung stehen, desto
umfangreicher wird der ‚Predictive‘-Bereich. Also die Prognose, wie Zielgruppen auf
bestimmte Botschaften reagieren.
Bei der Optimierung von Kampagnen musste in der Vergangenheit immer der Mensch
eingreifen: Manuell Zahlen aus Systemen ziehen, Ergebnisse interpretieren und
Optimierungen einleiten. Heute kommen immer stärker Softwarelösungen zu Einsatz, die
teils selbstständig Arbeitsschritte übernehmen.
Daher haben wir uns mit der Frage beschäftigt: Wo stehen wir heute in der Werbung?
Vor dem Hintergrund der drei Evolutionsstufen der Künstlichen Intelligenz (Narrow AI,
General AI und der Super AI) lässt sich ziemlich eindeutig von Problem- oder
zielbezogener begrenzter Intelligenz sprechen. Wir befinden uns also noch am Anfang
der Entwicklung, zum einen mit fraktalen Lösungen und zum anderen in einem
komplexen Marktumfeld.
Trotzdem gibt es Erfolge die uns aufhorchen lassen. Und bei denen wir von 'Maschine
Learning' sprechen können. Also der Vorstufe zur Künstlichen Intelligenz. Das
illustrieren wir am Beispiel Harley Davidson:
Der Case ist eigentlich zu nostalgisch ist, um in einem Beitrag zu Künstlicher Intelligenz
aufzutauchen – veranschaulicht aber sehr deutlich, die Prozesse, die in der Werbung
hinter dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz stecken. Nicht alleine, dass der New
Yorker Harley Davidson Händler Asaf Jacobi kurz bevor er pleite ging bei einem
Parkspaziergang in einen Fremden stieß, der zufällig eine Softwarefirma besitzt, die
Adgorithms heißt, sollte uns aufhorchen lassen. Auch die Tatsache, dass die Marketing-
Software binnen eines (!) Wochenendes die Verkäufe einer durchschnittlichen Woche
versiebenfacht. Wenn man also der Harvard Business Review Glauben schenkt, ist das
reine Ergebnis schon sehr beeindruckend:
Durchschnittlich verkaufte Jacobi 1-2 Maschinen pro Woche. Mit dem Einsatz des
Maschine Learning Systems, welches passender Weise den Namen Albert trägt, wurde
das höchste je erreichte Wochenziel an einem einzigen Wochenende erreicht.
Was hat Albert denn so tolles angestellt? Ehrlicherweise nicht viel mehr als wir uns mit
gesundem Menschenverstand hätten überlegen können, wenn Asaf Jacobi in mich oder
einen meiner Kollegen reingelaufen wäre.
Denn die Marketingregel „Deine Bestandskunden sind deine besten Neukunden“ gilt
natürlich auch für einen Motorrad-Händler. So ist Albert vermeintlich an nur einem
einzigen Wochenende Schritte gegangen, die Unternehmen 1.000-fach gehen, nur alles in
einem viel kleineren Zeitintervall:
1) Kundenanalyse
2) Segmentation
3) Testing
4) Roll-Out und Optimierung.
Was wirklich neu ist, ist die Tatsache, dass eine Kunden-Segment-Analyse direkt mit der
Ausspielung von Botschaften verbunden wurde. Es gibt also einen 1:1 Transfer vom
Bestandspotenzial zum Aktivierungspotenzial. Der zweite Unterschied ist der, dass
Albert nicht nur die Umfelder optimiert, sondern auch Inhalte dynamisch angepasst und
ausgespielt hat. Der dritte Effekt ist der, den wir aus vielen Bereichen kennen, wo
Maschinen eingesetzt werden: ein Programm wie Albert ist schneller, systematischer und
ausdauernder als der Menschenverstand.
Der Anwendungsbereich von Marketing-Software ist breit gefächert und kann über alle
Branchen und digitale Medien angewendet werden. Hier entwickelt sich gerade an der
Schnittstelle von Kanal- und Botschaftsoptimierung ein neuer Bereich, der auf den
Fähigkeiten von intelligenter Software beruht: Dynamic Creative Optimization, kurz
DCO.
Im Rahmen von DCO werden die Bestandteile von Online-Anzeigen insbesondere im
Social Umfeld mit Hilfe einer Dynamic Creative Optimization Software zunächst in ihre
Bestandteile zerlegt und nach bestimmten KPI (Key Performance Indicators) wie Clicks
oder Interaktion automatisch optimiert. Aber nicht alles was technisch funktioniert ist
auch sinnvoll. Auch ein Algorithmus kann (noch nicht) die Gesetze der Statistik
aushebeln. Wenn man die Kombinationen aller Bestandteile der in meinem Vortrag
gezeigten Anzeige berechnet ergeben sich knapp 3 Mio. Variationen, was gemessen an
den nötigen Einsatzkosten für eine statistische Validität ein Mediabudget von mehreren
Milionen Euros verursachen würde.
DCO – was ist das denn?
Trotz der rasanten Entwicklung in diesem Bereich, kommt es immer noch auf 'weiche'
Faktoren an, die über den erfolgreichen Einsatz von intelligenter Technik entscheiden.
Die Erfahrung, die Kreativität und die Logik die Menschen mit an den Tisch bringen,
sind auf absehbarer Zeit nicht durch Maschinen zu ersetzen. Vielmehr ergänzen sich
beide Teile zu etwas kraftvollerem Neuen. Wir nennen dies Informed Intuition. Daten
und Technik auf der einen Seite, kombiniert mit der natürlichen Intelligenz und
Praxiserfahrung auf der anderen.
Fassen wir zusammen:
`Schlaue Technik‘ wird schon an vielen Stellen in der Werbung eingesetzt, vor allem in
der Optimierung von digitalen Inhalten. Die Komponente `Natürliche Intelligenz‘ wird
bis auf weiteres ein entscheidender Erfolgsfaktor sein, um moderne Technik zielorientiert
zum Einsatz zu bringen. Die Verbreitung von Künstlicher Intelligenz wird sukzessive
erfolgen, aber umfassend alle (digitalen) Bereiche betreffen. Die Entwicklung steckt trotz
ihres schnellen Fortschreitens noch in den Kinderschuhen und wird dynamisch weiter
fortschreiten: Künstliche Intelligenz wird als nächste Universaltechnologie auch die
Werbeindustrie nachhaltig verändern.